Arbeitsstättenverordnung: Das gilt für das Homeoffice

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zuletzt aktualisiert am 21. Dezember 2021 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die pandemische Ausbreitung des Sars-Cov-2 Virus stellte Arbeitgeber vor große Heraus­for­der­ungen. So verwundert es nicht, dass (wo möglich) sich die Arbeit im sog. Homeoffice als fester Bestandteil im Arbeitsalltag etabliert hat. In vielen Unternehmen wurde der Home­office-Arbeitsplatz aus der Not heraus innerhalb kürzester Zeit ent­weder eingeführt oder stark ausgebaut. Auch wenn sich die Arbeitsweise für viele Unternehmen als probates Mittel im Kampf gegen die wirtschaftlichen und gesund­heitlichen Konsequenzen des Virus erwiesen hat, so sollten die personalrechtlichen Risiken, die sich vornehmlich aus den einzuhalten Arbeits­schutz­vor­schrif­ten ergeben, nicht außer Acht gelassen werden. Der nachfolgende Artikel soll insoweit einen kurzen Überblick in Bezug auf die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstätten­verordnung – nachfolgend: „ArbStättVO”) im Zusammenhang mit dem Home­office verschaffen sowie mittels eines Exkurses das Problemfeld des gesetzlichen Unfall­versicherungs­schutzes anreißen.



Die letzte größere Änderung trat im Dezember 2016 in Kraft, wobei insbesondere bei den von Arbeitgebern zu beachtenden Arbeitsschutzmaßnahmen mehr Rechtssicherheit für die Arbeits­vertrags­parteien geschaffen werden sollte. Die nachfolgenden Änderungen (zum einen durch Art. 5 Abs. 1 Verordnung zur Änderung der Gesundheitsschutz-Bergverordnung sowie weiterer berg- und arbeitsschutzrechtlicher Verordnungen und zum anderen durch Art. 226 Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19. Juni 2020, die seit dem 27. Juni 2020 gilt) haben lediglich zu kleineren Modifikationen bzgl. der Zuständigkeiten und der Anwendbarkeit im Zusammenhang mit dem Bundesberggesetz geführt.


Das regelt die Arbeitsstättenverordnung

Die ArbStättVO richtet sich an Arbeitgeber und dient der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Be­schäf­tigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Ziel der Verordnung ist es, Unfälle aller Art an Arbeitsplätzen zu vermeiden. Zur Erreichung des Ziels haben die Arbeitgeber die Obliegenheit, die ent­sprech­enden Schutzmaßnahmen nach den jeweiligen Vorgaben an ihren Arbeitsplätzen zu treffen.

Durch diverse Klarstellungen und eine präzisere Terminologie durch die Novellierung der Arbeitsstättenverord­nung 2016 sollten künftig rechtliche Unsicherheiten bei der konkreten Umsetzung beseitigt werden. Das Bundes­kabinett teilte im Zuge der Novelle mit, dass die Regelungen darauf abzielen, die Gesundheit von Beschäftigten in Arbeitsstätten zu verbessern und Arbeitsabläufe sicherer zu gestalten.

Konkret schaffte die Novelle nunmehr Klarheit über die inhaltlichen Anforderungen an die arbeitgeberseitigen Arbeitsschutz-Unterweisungen, der Berücksichtigung psychischer Belastungen bei Gefähr­dungs­be­ur­teil­ungen sowie die Einrichtung von Sichtverbindungen (z.B. Fenster) nach außen.

Ferner wurden zur Konkretisierung der einzelnen Regelungspunkte die Inhalte der Bildschirmarbeitsver­ordnung, die zeitgleich außer Kraft gesetzt wurde, in die neue Arbeitsstättenverordnung integriert.


Insbesondere wurden durch die Novellierung aber auch die offenen Fragen zu der von Arbeitgeberseite einzu­haltenden Kontroll- und Überwachsungspflichten von Homeoffice-Arbeitsplätzen geklärt.


Regelungen für das Homeoffice

In der Praxis wird der Begriff „Homeoffice” zumeist als Oberbegriff für verschiedene Ausgestaltungsmöglich­keiten der „Arbeit von zu Hause” – bspw. Telearbeit oder nur gelegentliches Arbeiten von zu Hause – verwendet. Im Hinblick auf die jeweils zu beachtenden Schutzvorschriften ist eine Differenzierung indes zwingend erforderlich.

Der Gesetzgeber hat das erkannt und mit der Novelle 2016 präzisiert, was unter dem Begriff des Telearbeits­platzes zu verstehen ist. Dazu fehlten bisher noch konkrete und eindeutige Parameter, die eine Abgrenzung von der gelegentlichen Arbeit von zu Hause möglich machten. Nach der nunmehr geltenden Gesetzesdefinition handelt es sich um einen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Beschäftigten, für den die Arbeits­vertrags­parteien eine wöchentliche Arbeitszeit sowie die Dauer der Ein­richtung vertraglich vereinbart haben. Telearbeit erfordert somit klare vertragliche Rahmenbedingungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten über die Arbeitszeit, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplatzgestaltung sowie die tatsächliche Einrichtung des Telearbeitsplatzes nach den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung durch den Arbeitgeber.

Mit dieser deutlich enger gefassten Definition wird gleichzeitig klargestellt, dass beruflich bedingte „mobile Arbeit” – bspw. das gelegentliche Arbeiten mit dem Laptop von zu Hause, das ortsungebundene Arbeiten im Café oder unterwegs im Zug – nicht vom Anwendungsbereich der Arbeits­stätten­ver­ordnung erfasst wird. Allerdings gilt auch hier das Arbeitsschutzgesetz.


Geltende Schutzmaßnahmen

Seit Dezember 2016 gelten somit die Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung sowie die eingeführten Rege­lungen der Bildschirmarbeitsverordnung auch für Telearbeitsplätze und sind daher entsprechend von den Arbeitgebern zu beachten. Daraus erwächst die Verpflichtung der Arbeitgeber, genau zu prüfen, ob die Beschäftigten an ihrem Homeoffice-Arbeitsplatz Gefährdungen ausgesetzt sind. Bei der sog. Gefährdungs­beurteilung muss der Arbeitgeber die physischen und psychischen Belastungen – etwa durch störende Geräusche oder ergonomische Mängel – sowie bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere die Belastungen der Augen der Beschäftigten berücksichtigen.

Bei der Gefährdungsbeurteilung ergibt sich bei der Errichtung und des Betriebs von Telearbeitsplätzen allerdings die für Arbeitgeber wichtige Besonderheit, dass lediglich eine Erstbeurteilung des Arbeitsplatzes durchzuführen ist. Daraus folgt, dass Homeoffice-Arbeitsplätze lediglich einmalig, also bei Aufnahme der regelmäßigen Tätigkeit von zu Hause, auf Gefahren und Sicherheitsrisiken zu überprüfen sind. Von der Implementierung einer Verpflichtung zur regelmäßigen Kontrolle des Telearbeitsplatzes, wie im ursprünglichen Gesetzesentwurf angedacht, hat der Gesetzgeber in der endgültigen Fassung der Novellierung abgesehen.

Zu beachten ist dabei, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung – wie bisher – mit Blick auf die durch Art. 13 Grundgesetz garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers nachkommen kann. Empfehlenswert ist daher, über das Zutrittsrecht des Arbeitgebers eine vertragliche Regelung zu treffen. Zwar stellt das vertraglich vereinbarte Zutrittsrecht allenfalls eine schuldrechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers dar, sodass ein tatsächliches Betreten der Wohnung durch den Arbeitgeber trotzdem immer der Zustimmung des Arbeit­nehmers bedarf. Die Verweigerung des Zutritts kann aber – bei ausdrücklicher Vereinbarung – ggf. arbeits­rechtliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer nach sich ziehen.
 
Ist ein Home-Office als Form des mobilen Arbeitens vorgesehen, also ohne dass der Arbeitgeber einen Telearbeitsplatz im Sinne von § 2 Abs. 7 ArbStättV einrichtet, treffen den Arbeitgeber nicht die Pflichten aus der Arbeitsstättenverordnung. Hier reicht es aus, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung vor Ort anbietet. Legt der Arbeitnehmer darauf keinen Wert, wird der Arbeitgeber seiner Ermittlungspflicht dadurch gerecht, dass er beim Mitarbeiter relevante Informationen standardisiert durch einen Fragebogen erhebt. Bei mobiler Arbeit scheidet eine konkrete Beurteilung der Gefährdung „vor Ort“ aus. Hier genügt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung, indem er abstrakt die typischerweise zu erwartenden Bedingungen zu Grunde legt.
 

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (Fassung: 24. November 2021) weist Arbeitgeber diesbezüglich insbesondere auf das Folgende hin:
 

„4.2.4 Homeoffice
(1) […]
(2) Auch für Arbeiten im Homeoffice gelten das ArbSchG und das Arbeitszeitgesetz. Regelungen zu Arbeitszeiten und Erreichbarkeit sollen getroffen werden. Beschäftigte sind im Hinblick auf einzuhaltende Arbeitszeiten, Arbeitspausen, darüber notwendige Dokumentation, die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und die Nutzung der Arbeitsmittel, zum Beispiel „korrekte Bildschirmposition, möglichst separate Tastatur und Maus, richtige und wechselnde Sitzhaltung und Bewegungspausen zu unterweisen.
(3) Der Arbeitgeber muss durch geeignete Arbeitsorganisation sicherstellen, dass Beschäftigte, denen entsprechende technische Möglichkeiten für das Homeoffice im Moment nicht zur Verfügung stehen, ihre Arbeitsaufgaben erfüllen können und ausreichend Zugang zu betrieblicher Kommunikation und Informationen unter Beachtung von Abschnitt 4.2.12 haben.“

 

Auch hier wird folglich nochmals klargestellt, dass den Arbeitgeber zumindest Unterweisungspflichten treffen.

 
Exkurs: Unfälle im Homeoffice

Immer wieder stellt sich die Frage, ob es sich bei einem Unfall im Homeoffice eigentlich um einen Arbeitsunfall handelt, für den die gesetzliche Unfallversicherung aufkommen müsste. Mit der Frage hat sich auch das Bundessozialgericht auseinandergesetzt (BSG, Urt. v. 5. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R). In dem zu entscheidenden Fall arbeitete die Klägerin an einem Telearbeitsplatz im Dachgeschoss ihrer Wohnung. Ein Stockwerk tiefer befand sich die Küche der Klägerin. Als sie sich ein Glas Wasser aus der Küche holen wollte, rutschte sie auf der Treppe aus und brach sich das Bein. Die von der Klägerin verklagte Unfallkasse verneinte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles und lehnte die Haftung ab. Das Bundessozialgericht teilte schließlich die Auffassung der Unfallkasse:

Die für den Arbeitgeber im Homeoffice erbrachte Tätigkeit erfolge zwar grundsätzlich immer im dienstlichen Interesse. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei die Klägerin aber nicht im unmittelbaren Betriebsinteresse tätig gewesen. Denn sie sei die Treppe nicht hinabgestiegen, um ihre versicherte Beschäftigung auszuüben, sondern um in der Küche Wasser zum Trinken zu holen und demnach einer typischen eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Als sich der Unfall ereignete, habe die Klägerin folglich ihre Arbeitsstätte verlassen und bereits den persönlichen häuslichen Lebensbereich erreicht.

Die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken habe aber nicht der Arbeitgeber, sondern vielmehr der Versicherte selbst zu verantworten. Auch sei es dem Arbeitgeber und damit letztlich auch den Trägern der Unfallversicherungen außerhalb des Betriebsgeländes kaum möglich, präventive, gefahrenreduzierende Maßnahmen zu ergreifen. Eine Verpflichtung zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen bestünde aber ohnehin nur bei der jeweiligen Betriebsstätte, zu der jedenfalls häusliche Örtlichkeiten außerhalb eines räumlich abgegrenzten Homeoffice nicht zählen.


Fazit

Die Arbeitsstättenverordnung ist auch bei Telearbeitsplätzen zu beachten. Aufgrund der eng gefassten Definition des Telearbeitsplatzes können Arbeitgeber aufatmen, da die Arbeitsstättenverordnung bei ge­legentlichen Tätigkeiten von zu Hause oder von unterwegs nicht zur Anwendung kommt. Erfreulich ist auch die Ausnahmeregelung zur Gefährdungsbeurteilung, da lediglich eine Erstbeurteilung des Homeoffice-Arbeits­platzes und keine kontinuierliche Prüfung von den Arbeitgebern verlangt wird.

Sofern die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes erfolgen soll, oder gar bereits erfolgt ist, empfiehlt es sich aber, die Arbeitszeit, die Arbeitsbedingungen und die konkrete Arbeitsplatzgestaltung sowie ggf. ein Zutrittsrecht entsprechend vertraglich zu fixieren. Auch zur Vermeidung von Konflikten bei der Anerkennung eines Ver­sicher­ungsfalles sollte der eigentliche Arbeitsplatz in den Wohnräumen des Arbeitnehmers abgrenzbar sein und entsprechend klar definiert werden.

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