Employer of Record in Türkei

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. April 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


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Ist das Konzept des Employer of Record (EoR) in Ihrem Land bekannt? Ist das Konzept des EoR in Ihrem Land gesetzlich geregelt?

In der Türkei gibt es Unternehmen, die die Dienstleistung „Employer of Record” (EoR) anbieten. EoR-Unterneh­​men übernehmen in der Regel die arbeitsrechtlich formalen Aufgaben (Abschluss des Arbeitsvertrags, Zahlung des Gehalts, der gesetzlichen Ansprüche etc.) und administrative Aufgaben (An-/Abmeldung zur Sozialver­​sicherung, Abfuhr der Steuern und Sozialversicherungsprämien) im Zusammenhang mit der Einstellung von Mitarbeitern, was es ausländischen Unternehmen erleichtert, in einem neuen Markt Fuß zu fassen, ohne (zumindest vorerst) selbst auf dem türkischen Markt etabliert zu sein.

Die Nachfrage nach EoR-Dienstleistungen in der Türkei ist in den letzten Jahren gestiegen. Insbesondere für ausländische Unternehmen, die in den türkischen Markt expandieren möchten, bietet EoR eine Lösung, um schnell qualifizierte Arbeitskräfte einzustellen und gleichzeitig die arbeitsrechtlichen Anforderungen des Landes zu erfüllen und steuerrechtliche Risiken zu reduzieren. 

Ausländische Unternehmen greifen auf solche Dienstleistungen zurück, um sich zum einen– vor einer möglichen Etablierung – über die rechtlichen und administrativen Anforderungen einer Etablierung zu informieren und zum anderen – soweit ein Interesse an einer Gründung nicht gegeben ist – auf diese Art und Weise Mitarbeiter einzustellen. 

Die Nachfrage nach EoR Dienstleitungen in der Türkei basieren auf verschiedene Faktoren, u.a. die Flexibilität bei der Personalbeschaffung (insbesondere nach der Pandemie), die Reduzierung von Risiken im Zusammen­​hang mit der lokalen Arbeitsgesetzgebung sowie die Verschlankung von administrativen Aufgaben.

Es existiert gegenwärtig weder eine gesetzliche Regelung noch eine etablierte Rechtsprechung. Ebenso mangelt es an wissenschaftlichen Aufsätzen, die das Konzept des EoR umfassend behandeln. Konkrete rechtliche Vorgaben oder gerichtlichen Entscheidungen, die dieses Beschäftigungsmodell explizit regulieren oder klären, sind nicht gegeben.

Steht das Konzept des EoR in Ihrem Land der Arbeitnehmerüberlassung nahe?

Ein Unternehmen, das EoR Dienstleistungen anbietet, übernimmt die Einstellung eines Mitarbeiters im Auftrag eines anderen Unternehmens. Dabei zahlt es ein Gehalt, das dem eines regulären Mitarbeiters entspricht und trägt die damit verbundenen Pflichten. Zusätzlich stellt das EoR-Unternehmen dem Auftraggeber monatlich eine Servicegebühr in Rechnung, die neben dem Gehalt auch sonstige betriebliche Aufwendungen gemäß den vertraglichen Vereinbarungen abdeckt. Wie oben beschrieben, existiert für das EoR-Dreieckskonzept keine gesetzliche Regelung.

Arbeitnehmerüberlassung hingegen bezieht sich auf eine Situation, in der ein Arbeitnehmer von einem Personaldienstleister (Leiharbeitsfirma) eingestellt wird und dann an ein anderes Unternehmen ausgeliehen wird, um dort zu arbeiten. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer formal beim Personaldienstleister angestellt, arbeitet jedoch tatsächlich in einem anderen Unternehmen. Der wirtschaftliche und rechtliche Arbeitgeber ist hier identisch, nämlich der Personaldienstleister. 

Die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung sind im türkischen Arbeitsgesetz festgelegt. Es zeigt sich, dass zwischen den Personaldienstleistern (Arbeitsvermittlern), Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein ähnliches dreiseitiges Verhältnis wie beim EoR-Konzept besteht. Dieses Verhältnis wird im Gesetz als „professionelle Arbeitnehmerüberlassung” bezeichnet. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen darf eine Arbeitnehmerüber­​lassung höchstens vier Monate dauern, Verlängerungen sind grundsätzlich nicht möglich bzw. als Ausnahme­​fälle geregelt.

Das Verhältnis der „Arbeitnehmerüberlassung” zwischen dem Personaldienstleister, dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ähnelt in einigen Aspekten dem EoR, weist jedoch aufgrund gesetzlicher Vorgaben Unter­​schiede auf.

Es ist von Bedeutung, dass die Personaldienstleister, die die Arbeitnehmerüberlassung ausüben, Einrichtungen sind, die zwingend der Genehmigung der türkischen Arbeitsagentur unterfallen. Es ist daher untersagt, Tätig­​keiten als Personaldienstleister auszuüben, ohne eine entsprechende Genehmigung der türkischen Arbeits­​agentur erhalten zu haben. Bei Verstoß gegen dieses Verbot werden Verwaltungsstrafen verhängt.

Der wesentliche Unterschied besteht also darin, dass das Konzept der Arbeitnehmerüberlassung spezifisch auf die Leiharbeit und die damit verbundenen Vertragsverhältnisse abzielt, zeitlich begrenzt ist und eine ent­​sprechende Genehmigung erfordert, während für das Konzept des EoR zum jetzigen Zeitpunkt keine gesetz­​lichen Regelungen existieren und Leistungen im Rahmen des EoR in der Regel auch langfristig in Anspruch genommen werden.

Besonderheiten der Tätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung

Wie oben beschrieben, ist es erforderlich, dass Personaldienstleister eine Genehmigung/Lizenz der türkischen Arbeitsagentur besitzen. 

Ihre Leistungen dürfen Sie ausschließlich im Rahmen dieser Genehmigung ausüben. Es ist also strikt untersagt, ein derartiges Arbeitsverhältnis ohne die erforderliche Genehmigung der türkischen Arbeitsagentur zu vermitteln.

Jeglicher Verstoß gegen dieses explizite Verbot zieht administrative Sanktionen nach sich. Verwaltungsstrafen werden verhängt, um sicherzustellen, dass die Vorschriften eingehalten werden und die rechtliche Integrität des Arbeitsvermittlungsprozesses gewahrt bleibt. Es liegt somit in der Verantwortung der beteiligten Parteien sicherzustellen, dass alle erforderlichen Genehmigungen vorliegen, um mögliche rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

In Bezug auf die Fälle, in denen die Tätigkeiten ohne die Lizenz ausgeübt wurden, gibt es Urteile höherer Instanzen, wonach entschieden wurde, dass sowohl das verleihende Unternehmen als auch das entleihende Unternehmen gesamtschuldnerisch für sämtliche Ansprüche des Mitarbeiters haften. Die Rechte der Mitarbeitenden stehen nach dieser Rechtsprechung und allgemeinen arbeitsrechtlichen Prinzipien unter besonderem Schutz. 

Für die Tätigkeit des Entleihers ist keine Lizenz bzw. eine spezielle Erlaubnis erforderlich. Wie zuvor genannt, beträgt die zeitliche Befristung grundsätzlich vier Monate.

Nach den allgemeinen Vorschriften des türkischen Arbeitsgesetzbuches in Bezug auf das Gehalt können die Parteien des Arbeitsvertrags die Höhe im Rahmen der Vertragsfreiheit frei festlegen, sofern das Gehalt nicht unter dem Mindestlohn liegt. Bei der Festlegung des Gehalts ist die Art der Arbeit und die Qualifikation des Arbeitnehmers von Bedeutung. Darüber hinaus können auch die Gehaltspraktiken am Arbeitsplatz und die Berufsgepflogenheiten bei der Festlegung des Gehalts berücksichtigt werden. Diese Anforderungen gelten aber für den türkischen Arbeitsmarkt. Ein Anspruch auf Anpassung der Arbeitsbedingungen an Märkte, die über die Grenzen der Türkei hinausgehen, ist nach derzeitigem Stand generell nicht gegeben.

Welche steuerlichen Besonderheiten gibt es bei dem Konzept des EoR in Ihrem Land?

Grundsätzlich kann mit Inanspruchnahme der EoR Dienstleistungen, womit vorerst kein direktes Anstellungs­​verhältnis zum ausländischen Unternehmen gegeben ist, das Risiko der  Betriebsstättenbegründung einge­​grenzt werden. 

Nichtsdestotrotz ist nicht gänzlich auszuschließen (auch in Ansehung der bislang fehlenden rechtlichen Grundlagen für die EoR), dass bei einer Prüfung die türkischen Behörden feststellen, dass der wirtschaftliche Arbeitgeber ein im Ausland ansässiges Unternehmen ist. Sollte der Mitarbeiter zudem weitergehende Betriebs­​stättenkonditionen erfüllen (z.B. Abschlussvollmacht für das im Ausland ansässige Unternehmen), dann ist auch die EoR Konstellation nicht ausreichend.

Das Doppelbesteuerungsabkommen sieht keine Sonderregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung mit Deutschland vor.

Wie wird sich aus Ihrer Sicht das Konzept EoR in Ihrem Land weiter entwickeln?

Solange das Problem des Fachkräftemangels insbesondere in Europa nicht behoben ist, gehen wir davon aus, dass sich die Anfrage nach EoR-Dienstleistungen steigern wird. Allerdings ist auch die Tendenz gegeben, dass Fachkräfte direkt im Ausland angestellt werden und ins Ausland umziehen. Zudem bleibt abzuwarten, ob die gesetzliche Lücke in Bezug auf die EoR geschlossen wird. Für langfristige Pläne auf dem türkischen Markt ist eine eigene Etablierung jedoch weiterhin empfehlenswert.​

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