Abfrage des Impfstatus der Arbeitnehmer – „Man wird ja wohl noch fragen dürfen?“

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veröffentlicht am 27. Oktober 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

Die schrittweise Rückkehr der Arbeitnehmer[1] an die Betriebsstandorte stellt die Arbeitgeber auch ein knappes Jahr nach Beginn der Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Covid-19) vor große Herausforderungen. Sie resultieren einerseits aus einem weiterhin dynamischen Infektionsgeschehen. Andererseits erfordert auch die mitunter konträre Interessenlage der Arbeitsvertragsparteien sowie das Zusammenspiel arbeits- und datenschutzrechtlicher Normen ein umsichtiges Vorgehen des Arbeitgebers.

 

  

  

 

So müssen Arbeitgeber beispielsweise aufgrund § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Im Zusammenhang mit Covid-19 gehört hierzu auch das Infektionsrisiko sowie eine potentiell daraus folgende Krankheit. Da das maßgeblich vom Impfstatus der Arbeitnehmer abhängt, haben Arbeitgeber mithin ein gewichtiges Interesse an einer dahingehenden Information.

 

Zudem ist die Frage nach dem Impfstatus der Arbeitnehmer auch aufgrund des rechtlichen Sonderstauts geimpfter oder genesener Personen für Arbeitgeber von Belang, da geimpfte und genesene Arbeitnehmer z.B. ohne Quarantäne zum Einsatz ins Ausland entsandt werden können und weniger strengen Testpflichten unterliegen. Im Übrigen können geimpfte und genesene Arbeitnehmer in bestimmten Bereichen flexibler und besser eingesetzt werden als Beschäftigte, die diese Eigenschaft nicht erfüllen.

 

Demgegenüber handelt es sich bei dem Impfstatus (wie auch dem Ergebnis etwaiger Tests) aus datenschutzrechtlicher Perspektive um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 4 Nr. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Daraus folgt wiederum, dass der Impfstatus als personenbezogenes Datum besonderer Kategorie nur unter den Voraussetzungen der in Art. 9 Abs. 2 und 3 DSGVO aufgezählten Ausnahmetatbeständen verarbeitet werden darf (Verbotsprinzip).

 

Das vorab stellt sich, auch wenn der Titel dieses Beitrages natürlich überspitzt formuliert ist, tatsächlich folgende Frage: Dürfen Arbeitgeber nach dem Impfstatus ihrer Arbeitnehmer fragen?

 

Rudimentäres gesetzliches Auskunftsrecht

Der Gesetzgeber hat die Abfrage des Impfstatus lediglich im Bereich des Infektionsschutzes im Infektionsschutzgesetz (IfSG) explizit geregelt. Konkret ist die Verarbeitung von Impfdaten durch Arbeitgeber aus besonderen Gründen der Pandemiebekämpfung gemäß §§ 23a und 36 Abs. 3 IfSG vorgesehen. Die beiden Vorschriften hat der Gesetzgeber allerdings nur für einen eng begrenzten Arbeitgeberkreis – primär aus dem Gesundheitssektor und für Gemeinschaftseinrichtungen – vorgesehen.

 

In allen anderen Bereichen existiert kein gesetzlich niedergelegtes Fragerecht des Arbeitgebers in Bezug auf den Impfstatus. Der Impfstatus ist weder zur Begründung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 BDSG oder Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO erforderlich noch hat der Gesetzgeber von einer Öffnungsklausel, etwa des Art. 88 Abs. 2 DSGVO, zum Zwecke der Regelung eines generellen Auskunftsrechts Gebrauch gemacht.

 

Auch eine Verarbeitung auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO ist lediglich dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung arbeits- oder sozialrechtlicher Rechte und Pflichten notwendig ist. In diesem Kontext wird teilweise angeführt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1, 2 ArbSchG sämtliche arbeitsschutzrelevanten Gefahren zu melden hat. Nur durch die Kenntnis des Arbeitgebers von der Impfung des Arbeitnehmers hätte er erst die Möglichkeit, den Arbeitnehmer von bestimmten Einschränkungen zu befreien. Diese Ansicht hat sich allerdings weder in der juristischen Literatur noch in der Praxis datenschutzrechtlicher Aufsichtsbehörden durchgesetzt.

 

Etwas anderes gilt in der Zukunft nur dann, wenn ausnahmsweise auch eine Impfpflicht im Betrieb existiert.

 

Die Abfrage des Impfstatus über den Betriebsarzt ist ebenfalls per se unzulässig. Er arbeitet gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 des Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) weisungsfrei und ist zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 8 Abs. 1 S. 3 ASiG).

 

Kollektiv- oder individualvertragliche Regelung des Fragerechts

Alternativ kann eine kollektivrechtliche Festlegung des Fragerechts in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung das gesetzliche Fragerecht ersetzen. Die Umsetzung dieser scheinbar einfachen Möglichkeit ist jedoch insbesondere deshalb tückisch, da nicht jeder Konsens der Vertragsparteien auch tatsächlich wirksam ist.  

 

Die Offenbarung personenbezogener Daten gegenüber dem Arbeitgeber führt zu einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)), an das mittelbar auf Kollektivvertragsparteien einwirkt. Das wird mit den arbeitgeberseitigen Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG abgewogen. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte des Arbeitnehmers führen insoweit zur Unzulässigkeit der kollektiven Regelung, wenn Grundrechte der Arbeitnehmer unangemessen beschränkt werden.

 

Ob eine solche unzulässige Beschränkung vorliegt, lässt sich abstrakt nicht beurteilen und hängt von der im Einzelfall ausgestalteten Regelung ab. Aus aktueller Perspektive hat sich die Rechtsprechung noch nicht mit derartigen Kollektivvereinbarungen befasst. Eine Prognose zum Maßstab für solche Regelungen ist somit schwerlich möglich. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) steht derartigen Vereinbarungen jedenfalls kritisch gegenüber (BfDI: „Verarbeitung von Daten zu Impfstatus und Testungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus durch den Arbeitgeber/Dienstherren", [Stand: August 2021]). Darüber hinaus ist ein arbeitsvertragliches Auskunftsrecht typischerweise wegen der Anwendung der §§ 305ff. BGB unangemessen.

 

Datenschutzrechtliche Einwilligung in der Praxis untauglich

Zumindest theoretisch kann der Arbeitgeber ebenfalls versuchen, die Abfrage des Impfstatus auf freiwilliger Basis durchzuführen. In der Praxis erweist sich dies jedoch oft sowohl aus praktischen als auch aus rechtlichen Gründen als wenig zielführend.

 

So muss die Einwilligung explizit in Bezug auf spezifische Zwecke erteilt werden ( Art. 9 Abs. 2 Nr. 1, 7 DSGVO). Zudem muss die qualifizierte Form der § 26 Abs. 2, S. 3, 4, Abs. 3 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfüllt werden. Insbesondere aber ist bislang nicht final entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine freiwillige Einwilligung im Arbeitsverhältnis vorliegen kann. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) verneint in diesem Kontext beispielsweise per se die Freiwilligkeit einer Einwilligung im Arbeitsverhältnis. Der Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HessBDI) sieht das in dieser Absolutheit nicht, weist jedoch darauf hin, dass die Einwilligung voraussichtlich nur in wenigen Fällen geeignet sein wird, die Verarbeitung des Impfstatus von Beschäftigten durch Arbeitgeber zu legitimieren (HessBDI, „Ist die Verarbeitung des Impf- und Genesenenstatus von Beschäftigten durch Arbeitgeber zulässig?" [Stand: August 2021])

 

Neben den vorstehend dargelegten rechtlichen Herausforderungen dürfte die datenschutzrechtliche Einwilligung auch vor dem Hintergrund als letztendlich untaugliches Mittel erweisen, da viele Arbeitnehmer gar keine Einwilligung erteilen wollen und werden, so dass eine derartige Abfrage nur lückenhafte Ergebnisse liefern würde.

 

Was Arbeitgeber noch beachten müssen

Darüber hinaus löst jede arbeitgeberseitige Regelung einer potentiellen Abfrage des Impfstatus das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) aus. Hierbei handelt es sich zugleich um eine Frage der betrieblichen Ordnung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ferner sind die verarbeiteten Daten unter Berücksichtigung von § 22 Abs. 2 S. 1, 2 BDSG besonders – beispielsweise durch technische und organisatorische Maßnahmen – zu sichern.

 

Handlungsempfehlungen

Resümierend ist Arbeitgebern im Grundsatz davon abzuraten, den Impfstatus ihrer Arbeitnehmer abzufragen. Möchten Arbeitgeber ihn dennoch erfragen, so hat diese Entscheidung zwingend unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach sorgfältiger –ggf. anwaltlicher – Prüfung zu erfolgen.

 

Diese Einschätzung resultiert zunächst aus der vorab konsturierten rechtlichen Ausgangslage, aufgrund derer eine rechtmäßige Abfrage nur in den seltensten Fällen zulässig sein wird. Darüber hinaus birgt eine ungeprüfte Abfrage des Impfstatus die Gefahr, dass die zuständige Aufsichtsbehörde bei unbefugter Verarbeitung von Beschäftigtendaten zum Impfstatus entsprechend Art. 83 Abs. 5 DSGVO eine Geldbuße bis zu 20 Mio. EUR oder 4 Prozent des weltweiten Unternehmensumsatzes verhängt. Das würde den Nutzen der Informationen in Gänze negieren.   

 

Ein abschließender Trost für Arbeitgeber dürfte es jedoch sein, dass Arbeitnehmer, auch wenn kein Fragerecht existiert, ihrem Arbeitgeber zumindest ein positives Covid-19 Testergebnis unverzüglich mitteilen müssen. Eine entsprechende Melde- bzw. Offenbarungspflicht der Arbeitnehmer folgt etwa § 16 ArbSchG oder der arbeitsvertraglichen Treuepflicht (§§ 241 Abs. 2, 242, 611 a BGB).

 

Im Ergebnis bleibt somit nur die Antwort auf die eingangs salopp formulierte Frage: „Nein, darf man nicht".

 

[1] Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, lediglich das generische Maskulinum verwendet. Es sind jedoch stets Personen jeglicher Geschlechtsidentität gleichermaßen gemeint.

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