Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch von gekündigten Arbeitnehmern

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veröffentlicht am 28. Mai 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

   
Entscheidungsbesprechung BAG, Urt. v. 27. April 2021 – 2 AZR 342/20
  
Die Reichweite des umstrittenen Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Europäischen Datenschutzgrundverordnung („DSGVO“) ließ das Bundesarbeitsgericht („BAG“) nach der Pressemitteilung weiter offen. Die Frage, ob Kopien von E-Mails von (ehemaligen) Beschäftigten hiervon erfasst sind, wurde im konkreten Fall bereits aufgrund mangelnder Bestimmtheit verneint. Der nachstehende Artikel ordnet diese Entscheidung ein und zeigt die Bedeutung für die aktuelle Praxis auf.
 

  

  
   

Hintergrund

Datenschutz bezweckt den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Eines der Grundprinzipien der DSGVO ist dabei das Transparenzgebot in der Datenverarbeitung, Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO. Eine Konkretisierung dieses Prinzips stellt der Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO dar. Danach hat die von der Datenverarbeitung betroffene Person ein Auskunftsrecht, welche personenbezogenen Daten von ihr verarbeitet werden. Das Auskunftsrecht erstreckt sich auf die Angabe des Verarbeitungszwecks, die Kategorie der verarbeiteten personenbezogenen Daten, deren Empfänger und die Speicherdauer sowie Hinweise auf die Betroffenenrechte, wie die Berichtigung und Löschung oder bestehende Beschwerde­möglichkeiten. Neben der Auskunft ist dem Anspruchssteller eine Kopie der verarbeiteten Daten zur Verfügung zu stellen, Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO.

Die Daten sind innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung zu stellen. Eine Verlängerung dieser Frist ist, bei umfangreichen Auskunftsbegehren, auf insgesamt drei Monate möglich, Art. 12 Abs. 3 S. 1 f. DSGVO.

Wird der Anspruch gar nicht, nicht rechtzeitig oder unvollständig bearbeitet, stellt das einen Datenschutzverstoß dar. Dieser ist mit der Verhängung eines Bußgelds von bis zu 20 Millionen Euro bzw. 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes belegt, Art. 83 Abs. 2 i. V. m. 5 lit. b) DSGVO. Infolge der Verletzung der Auskunftspflicht beim Betroffenen und der entstehenden immaterielle Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts kommt auch ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht, Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Seit längerem wird der Auskunftsanspruch vielfach auf Seiten der Arbeitnehmer als Druckmittel im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren missbraucht. Trotz der dargestellten empfindlich kostspieligen Konsequenzen ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt, in welchem Umfang der Verpflichtete zur Auskunfts- und Kopieerteilung verpflichtet ist.

Das Landesarbeitsgericht („LAG“) Baden-Württemberg legte, ebenso wie die 23. Kammer des Landgerichts („LG“) Köln den Anspruch auf Erhalt einer Kopie weit aus (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18; LG Köln, Urt. v. 11. November 2020 – 23 O 172/19). Nach Ansicht dieser Gerichte umfasst das Recht auf Erhalt einer Kopie neben den in Art. 15 Abs. 1 DSGVO genannten Informationen grundsätzlich sämtliche Daten, die der Verantwortliche über den Antragsteller erhoben hat. Dementsprechend wäre der Arbeitnehmer berechtigt alle über ihn gespeicherten Informationen einzufordern, einschließlich über sämtliche ihn betreffender E-Mails, informiert zu werden und hiervon jeweils eine Kopie zu erhalten. Bei einem mehrjährigen Arbeitsverhältnis könnten so leicht Tausende an E-Mails zusammenkommen.

Andere Gerichte legen Art. 15 Abs. 3 DSGVO hingegen restriktiver aus. So entschied die 26. Kammer des LG, dass sich das Recht auf Erhalt einer Kopie gerade nicht auf E-Mails und sonstige interne Korrespondenz erstreckt, sondern primär nur auf Informationen, die zur Geltendmachung der Datenschutzrechte des Antragstellers erforderlich sind (LG Köln, Urt. v. 18. März 2019 – 26 O 25/18).
 

Entscheidung des BAG

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, bei der Beklagten als Wirtschaftsjurist tätig, wurde in der Probezeit von seiner Arbeitgeberin gekündigt. Mit seiner Klage hat er unter anderem Auskunft über seine von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Daten verlangt. Er verlangt eine Kopie des E-Mail-Verkehrs zwischen ihm und dem beklagten Unternehmen im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Das erstinstanzlich mit der Sache befasste Arbeitsgericht („ArbG“) Hameln wies die Klage ab (ArbG Hameln, Urt. v. 26. Juni 2019 – 3 Ca 24/1).

Auf die Berufung des Klägers hin urteilte das LAG Niedersachsen, dass die Beklagte nur zur Übergabe einer Kopie von personenbezogenen Daten an den Kläger verpflichtet sei, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Einen Anspruch auf Übergabe weiterer Kopien, insbesondere von E-Mails, lehnte das Gericht ab. Es begründet seine Entscheidung mit dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 DSGVO der nur von Daten spricht, die „Gegenstand der Verarbeitung“ sind und sich also auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO bezieht. Aus Erwägungsgrund 63 zu DSGVO ergäbe sich ferner, dass die Daten einen gewissen Grad an Aussagekraft über die betroffene Person haben müssten. Deswegen könne der Verantwortliche dann, wenn er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, verlangen, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor die Auskunft erteilt werde. Außerdem beschränke sich der Auskunftsanspruch auf solche Dokumente, die dem Auskunftsersuchenden nicht bereits vorliegen hin. Das LAG ließ aufgrund des höchstrichterlich ungeklärten Umfangs des Herausgabeanspruchs die Revision zu (LAG Niedersachsen, Urt. v. 9. Juni 2020 –9 Sa 608/19).

Das BAG entschied, dass der Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails schon nicht hinreichend bestimmt sei i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung („ZPO“). Die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, seien so genau zu bezeichnen, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft sei, auf welche E-Mails sich die Verurteilung beziehe. Der Kläger hat sein Begehren auch nicht im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO geltend gemacht. Der Senat konnte auf diese Weise offenlassen, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Erteilung einer Kopie von E-Mails umfasst.
 

Fazit und Ausblick

Anders als erhofft, schafft die Entscheidung des BAG im Hinblick auf die umstrittene Rechtsfrage der Reichweite keine Rechtssicherheit. Bislang ist nur die Pressemitteilung veröffentlicht. Möglicherweise gibt das BAG im Urteilstext noch einen Hinweis, ob Art. 15 Abs. 3 S. 1 restriktiv oder extensiv auszulegen ist. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes („EuGH“) über die Reichweite von Art. 15 DSGVO stehen ebenfalls noch aus.

Die Entscheidung des BAG führt dennoch zu nicht unerheblichen Erkenntnissen: Generell gehaltene Auskunftsanträge, die lediglich den Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO wiederholen, genügen dem zivilprozessualen Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Arbeitgeber können nunmehr gegebenenfalls auch eine solche Unbestimmtheit dem Anspruch entgegenhalten.

Dadurch, dass weiterhin Unklarheit darüber besteht, ob der Auskunftsanspruch restriktiv oder extensiv auszulegen ist, sehen sich Unternehmen jedoch weiterhin mit einem nicht unerheblichen Begründungsaufwand konfrontiert, wenn sie dem Recht auf Kopie das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis entgegenhalten wollen. Es empfiehlt sich insbesondere explizit darzulegen, weshalb die genannten Informationen nicht erteilt werden dürfen und das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis Vorrang vor dem Datenschutz zukommt. Darüber hinaus ist Unternehmen zu raten dem Anspruch aus § 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO den Einwand des unzumutbaren Aufwandes entgegen zu halten, denn um mögliche Daten Dritter zu schützen müssten sämtliche Unterlagen vor der Herausgabe durchgesehen und gegebenenfalls geschwärzt werden.

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