Das neue „Anti-Abmahngesetz“ – Geänderte Regeln im Kampf gegen unlauteren Wettbewerb

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veröffentlicht am 15. Dezember 2020 / Lesedauer ca. 3 Minuten
von Daniela Jochim
 

Am 10. September 2020 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“1 verabschiedet. Die neuen Regelungen werden voraussichtlich Anfang 2021 in Kraft treten2. Das umgangssprachlich auch als „Anti-Abmahngesetz“ bezeichnete neue Gesetz aktualisiert in erster Linie das bisherige UWG (Gesetz gegen unlauteren Wett­bewerb) und soll v.a. Mittelständler vor unseriösen Abmahnpraktiken schützen.

 

 

Auch nach neuer Rechtslage bleiben Verstöße gegen unlautere Geschäftspraktiken selbstverständlich ab­mahn­fähig  –  sowohl im Offline- als auch im Online-Handel. Doch was genau ändert sich?

 

Strengere Anforderungen an Abmahnbefugnis

Wie bisher können neben Mitbewerbern auch Wirtschaftsverbände Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht abmah­nen. Allerdings müssen die Verbände nun bestimmte Voraussetzungen erfüllen3 und auf einer Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sein. Damit wird unseriösen Wirtschaftsverbänden, die lediglich zur Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen gegründet wurden, die Geschäftsgrundlage entzogen.

 

Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“

Bisher war es bei Rechtsverletzungen im Internet möglich, sie vor jedem deutschen Gericht geltend zu machen (sog. „fliegender Gerichtsstand”). Künftig muss der Kläger jedoch bei Verstößen, die auf Telemedien oder im elektro­nischen Geschäftsverkehr begangen werden, den allgemeinen Gerichtsstand wählen  –  das ist grundsätzlich der Sitz des beklagten Unternehmens.

 

Eingeschränkt erstattungsfähige Abmahnkosten

Hauptziel des Gesetzes ist es, sicherzustellen, dass Abmahnungen zu einem rechtstreuen Wettbewerb beitragen und nicht zur Generierung von Anwaltsgebühren missbraucht werden. Deshalb können Mitbewerber künftig in be­stimmten Fällen die mit der Abmahnung verbundenen Kosten nicht mehr vom Abgemahnten als Erstattung verlangen. Das gilt bei Verstößen

  • gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet sowie
  • von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen das Datenschutzrecht.

 
Ziel der Regelungen ist es, die Anzahl von Abmahnungen wegen rein formaler Verstöße einzudämmen.

 

In allen anderen Fällen sind Abmahnkosten nur noch dann erstattungsfähig, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des neuen § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Das Gesetzt stellt damit künftig konkrete Anforderungen an den Inhalt und die Form einer Abmahnung. Werden die Anforderungen nicht erfüllt, so bleibt der Abmahnende auf seinen Kosten sitzen, auch wenn der gerügte Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt.

 

Gegenansprüche bei unberechtigten Abmahnungen

In Zukunft sind missbräuchliche Abmahnungen ausdrücklich verboten (neuer § 8b  UWG). Ein Missbrauch liegt ins­besondere vor, wenn die Geltendmachung von Ansprüchen nur dazu dient „Kosten zu produzieren“ oder wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum eigenen Geschäftsbetrieb steht (Phänomen der sog. „Massen-Abmahnungen“).

 
Wer zu Unrecht abgemahnt wird, erhält außerdem einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung.

 

Strengere Regelungen: Forderung von Vertragsstrafen

Nach bisheriger Rechtslage war es üblich, in der einer Abmahnung folgenden Unterlassungserklärung eine Vertrags­strafe für künftige Verstöße festzulegen. Durch die Gesetzesänderung werden nun strengere Anforderungen an eine solche Vertragsstrafe gestellt.

 

Bei Abmahnungen durch Wettbewerber gegen Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern wird die Vertragsstrafe in einfach gelagerten Fällen auf 1.000 Euro gedeckelt. Handelt es sich um einen erstmaligen „Bagatellverstoß“, ist eine Vertragsstrafe bei solch kleinen Unternehmen sogar ganz ausgeschlossen. Zudem werden Regelungen über Angemessenheit und Reduzierung von Vertragsstrafen vorgesehen sowie die Klärung von Streitfragen über eine Einigungsstelle. Generell wird die gesamte Thematik der Vertragsstrafen deutlich komplizierter als bisher.

 

Fazit

Das neue Gesetz macht es Abmahnenden deutlich schwerer, gegen Rechtsverstöße der Konkurrenz vorzugehen. Das ist nicht unumstritten, da dadurch falsche Anreize für Verletzer gesetzt werden können. Zudem sind einige Themen, die der deutsche Gesetzgeber nun geregelt hat, noch Gegenstand von EuGH-Vorlagen. Es bleibt also abzuwarten, wie das neue Gesetz durch die Gerichte ausgelegt wird. Abmahnende sollten jedenfalls die Berechtigung einer Abmahn­ung und deren korrekte Form anhand der neuen Vorschriften sorgfältig prüfen, um finanzielle Risiken zu vermeiden.

 

1  BT-Drucksache 529/20, zugrunde liegender Gesetzesentwurf BT-Drucksache 19/12084.
2  Das Gesetz tritt größtenteils am Tag nach seiner Verkündung in Kraft, vgl. Art. 10 BT-Drucksache 19/12084.
3   Bspw. muss der Verband mindestens 75 Mitglieder haben und seit mind. einem Jahr seine satzungsgemäßen Aufgaben wahrnehmen.

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