Freelancer im Fokus der Betriebsprüfer und Neues vom EuGH zum Urlaub bei Scheinselbstständigkeit

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zuletzt aktualisiert am 14. August 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Im Hinblick auf die 4-jährige Verjährungs­frist sollen Arbeitgeber alle 4 Jahre von der Deutschen Renten­versicherung geprüft werden. Der zuständige Rentenversicherungsträger prüft seit einiger Zeit verstärkt Rechtsverhältnisse mit freien Mitarbeitern, sog. Freelancern. Gegenstand der Prüfung ist dabei, ob der Arbeitgeber die Versicherungs­pflicht bzw. -freiheit seiner Beschäftigungs­verhältnisse richtig beurteilt und den Behörden gemeldet hat.

  

 

Grundsätzlich müssen sozial­rechtliche Betriebsprüfungen 14 Tage vorher angekündigt werden. Arbeit­geber tun gut daran, die Zeit zu nutzen um alle not­­wendigen Unterlagen und Daten zusammen zu tragen und mit ihrem Steuer­berater und Rechtsanwalt vorzubereiten.

 

Der Prüfer hat die Möglichkeit, die gesamte Finanz­buchhaltung einzusehen, mithin die Buchungssätze zu über­prüfen. Er kann auch die Verträge mit freien Mitarbeitern anfordern und die Mit­­arbeiter selbst befragen.

 

Der Prüfer trifft letztlich seine Entscheidung, ob ein freier Mitarbeiter wirklich selbstständig oder schein­selbstständig und damit sozialversicherungspflichtig ist, im Rahmen einer Gesamt­abwägung. Insoweit ist entscheidend, ob und inwieweit der freie Mitarbeiter ein Unternehmer­auftreten und unternehmerische Ent­schei­dungs­freiheit hat, ein erforderliches Unternehmerrisiko trägt sowie mit Unternehmerinitiative handelt. Nicht selten lautet dann das Ergebnis des Prüfers, dass eigentlich eine Versicherungspflicht bestanden hätte, da bspw. eine Weisungsbindung und Eingliederung in die Betriebsorganisation vorlag bzw. sich aus anderen Umständen wie Gewährung von Urlaub und geleistete Entgelt­fortzahlung im Krankheitsfall etc. ergibt, dass der freie Mitarbeiter eigentlich als Arbeitnehmer/Scheinselbstständiger zu klassifizieren ist.

 

Die Konse­quenzen können gravierend sein. Es drohen die Haftung für Lohnsteuerschulden sowie straf­rechtliche Risiken für die Organe, die sich bisweilen auch zivil­rechtlichen Schadens­ersatzansprüchen der eigenen Gesell­schaft ausgesetzt sehen. Der Arbeitgeber, der alleiniger Schuldner des Gesamtsozial­­versicherungs­beitrags ist (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag), muss nämlich die Beitragsschulden alleine nachzahlen. Der Beitrags­anspruch verjährt grundsätzlich in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit, bei Vorsatz aber erst nach 30 Jahren. Ein Regress beim Arbeitnehmer ist nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt bei den nächsten 3 Gehaltszahlungen unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenze möglich. In arbeitsrechtlicher Hinsicht droht eine Klage auf Feststellung des Arbeitnehmerstatus mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen für den Arbeitgeber, wie etwaigem Kündigungsschutz des Arbeitnehmers, Urlaubsanspruch, etc.

 

Mit Urteil vom 29. November 2017, Aktenzeichen C-214/16, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das finanzielle Risiko einer Scheinselbstständigkeit für den Arbeitgeber nochmal erhöht. In dem Rechtsstreit war der Kläger als Selbst­ständiger beschäftigt. Wenn er Jahresurlaub nahm, wurde dieser nicht bezahlt. Als das Vertrags­verhältnis beendet wurde, berief er sich auf seinen Arbeitnehmerstatus und verlangte die Zahlung einer Vergütung für genommenen, aber nicht bezahlten und auch für nicht genommenen Urlaub, und zwar für die volle Beschäftigungsdauer. Die nationalen Gerichte urteilten, dass der scheinbar Selbstständige eigentlich Arbeitnehmer war.


Der EuGH stellte fest, dass der nicht genommene Urlaub über die Jahre hinweg ohne Schranke angesammelt werden kann, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht in die Lage versetzt, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Ein Verfall soll dann also gerade nicht eintreten. Eine Begrenzung der Ansammlung von Urlaubansprüchen auf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, soll hier nicht in Betracht kommen. Das war bis dato aber gängige Rechtsprechung. Es besteht also ein erhebliches Risiko, dass bei einer Scheinselbst­ständigkeit Urlaubsansprüche in einem hohen Umfang finanziell abzugelten sind. Inwieweit bzw. in welchem Umfang dem Arbeitgeber hierfür eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sein muss, ist strittig.

 

Allen Arbeitgebern, die freie Mitarbeiter beschäftigen wollen, ist daher dringend angeraten, Controlling-Prozesse in ihrem Unternehmen zu implementieren, mit denen das Risiko der Schein­selbst­ständigkeit minimiert werden kann. Hierzu gehören Auswahlverfahren mit Checklisten, eine saubere Vertragsgestaltung sowie die regel­mäßige Einsatz-Kontrolle während der Beschäftigung des Freelancers.  

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