EU-Russland-Sanktionen: Re-Export-Klauseln in Lieferverträgen bald zwingend

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veröffentlicht am 13. März 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten

Autoren: Tim Spielmann, Dr. Stefan Lehner, Helena Baumann


Noch eine Woche bis zur „No-Russia-Klausel“! Als Teil der im Dezember 2023 einge­führten Sanktionen verpflichtet Art. 12g VO 833/2014 europäische Unternehmen zur Verwendung einer „Re-Export-Klausel“ in bestimmten Liefer- und Kaufverträgen. Stichtag für die Umsetzung ist der 20. März 2024. Dabei haben die Unternehmen nicht nur verschiedenste Anforderungen an die Ausgestaltung der Klausel selbst zu beach­ten, sondern sollten sich auch ihrer verschiedenen Compliance-Risiken und -Chancen bewusst sein.


  

Hintergrund des 12. Sanktionspakets

Seit Beginn des Ukrainekrieges untergraben verschiedene Umgehungsmaßnahmen der Russland-Sanktionen die Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik wesentlich. Mit dem 12. Sanktionspaket vom 18. Dezember 2023 unternimmt die EU einen weiteren Schritt, die Umgehung ihrer Sanktionen zu bekämpfen und so deren Effektivität zu stärken. Die verschiedenen Sanktionspakete beleuchtet Ewald Plum in seinem Artikel regelmäßig. 
  
Teil des Pakets ist auch der neu verfasste Art. 12g VO 833/2014, der durch eine Vertrags-klausel konkret die Situationen unterbinden möchte, in denen Aus- und Einfuhrverbote umgangen werden, indem ein Transit sensibler Güter von und nach Russland durch Drittländer erfolgt.  
  

Art. 12g VO 833/2014

Ab dem 20. März 2024 verpflichtet Art. 12g VO 833/2014 EU-Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zur Verwendung einer sog. „Re-Export-Klausel“ in Kauf- und Lieferverträgen. Danach müssen Ausführer die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen (auch sog. „No-Russia-Klausel“).
  
Betroffen sind dabei sensible Güter und Technologien nach
  • Anhang XI (Luft- und Raumfahrtzeuge und deren Teile) VO 833/2014, 
  • Anhang XX (Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive) VO 833/2014,
  • Anhang XXXV (Feuerwaffen und andere Waffen) VO 833/2014
  • Anhang XL (“gemeinsame Güter mit hoher Priorität”) VO 833/2014
  • Anhang I (Feuerwaffen und Munition) VO 258/2012. 
  
Die Wiederausfuhr der vorgenannten gelisteten Güter muss im Handel mit Unternehmen aus Drittländern durch Vertragsabrede ausgeschlossen werden. Ausgenommen sind nach Art. 12g Abs. I VO 833/2014 lediglich Partner­länder aus Anhang VIII VO 833/2014, namentlich Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, Südkorea, die USA und das Vereinigte Königreich. Möchte also beispielsweise das europäische Unternehmen U mit dem chinesischen Unternehmen C einen Vertrag über die Lieferung von Antennen­reflektoren (zu finden in Anhang XL VO 833/2014) schließen, muss der Vertrag eine entsprechende Klausel enthalten, die u. a. den Re-Export der Reflektoren nach Russland ausschließt.
  
Art. 12g Abs. 2 VO 833/2014 regelt weiterhin eine Ausnahme von der Verwendung der Klausel für Verträge, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden. Für diese gilt eine Übergangsregelung, sodass sie bis zum Vertragsauslaufen oder jedenfalls bis spätestens zum 19. Dezember 2024 von der Regelung aus Abs. 1 ausge­nommen sind. Ab dem 20. Dezember 2024 aber müssen auch diese Verträge eine entsprechende Klausel enthalten. Verträge, die ab dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden und werden, müssen die Re-Export-Klausel dagegen ab dem 20. März ausnahmslos beinhalten.
  
Zur Durchsetzung der Klausel sieht Art. 12g Abs. 3 VO 833/2014 vor, dass die Re-Export-Klausel angemessene „Mittel“ aufführt, die im Falle eines Vertragsbruchs einschlägig werden. Diese sollen helfen, etwaigen Vertragsbrüchen vorzubeugen. Sollte es dennoch zu einem Verstoß kommen, sieht Art. 12g Abs. 4 VO 833/2014 eine Meldepflicht der europäischen Unternehmen bei den nationalen Behörden vor. 
  

Praktische Umsetzung

Die Verpflichtung zur Verwendung einer Re-Export-Klausel stellt eine gänzlich neue exportkontrollrechtliche Maßnahme dar, wobei die Vorschrift so weit formuliert ist, dass sich Unsicherheiten für die Umsetzung in der Praxis ergeben. 
  
Zu Rate gezogen werden können hierbei die am 22. Februar 2024 veröffentlichten FAQ der EU-Kommission, die sich der Beantwortung einiger Grundfragen im Zusammenhang mit Art. 12g VO 833/2014 annehmen. Diese enthalten u.a. einen Formulierungsvorschlag für die geforderte Klausel, der zur Orientierung genutzt werden kann. Er ist zwar nicht verbindlich, illustriert jedoch die Anforderungen, die von Seiten der EU an eine regelungs­konforme Klausel gestellt werden könnten. Die Kommission hält beispielsweise bei einem Verstoß gegen das Wiederausfuhrverbot ein Kündigungsrecht oder Vertragsstrafen als Rechtsmittel nach Art. 12g Abs. 3 VO 833/2014 für angemessen. 
  
Außerdem enthält der Formulierungsvorschlag für die Klausel eine Verpflichtung des Vertragspartners, Monitoring-Prozesse einzuführen, um zu gewährleisten, dass entlang der Lieferkette auch andere Unternehmen Abstand davon nehmen, Güter nach Russland wiederauszuführen. Dass es sich bei dieser weitreichenden Forderung allerdings um eine kategorische Mindestanforderung an die Klausel in allen Verträgen handelt, ist eher unwahrscheinlich. 
  
Die Verwendung des konkreten Formulierungsvorschlags ist nicht verpflichtend und von der Kommission zunächst vor allem für Geschäfte mit Partnern empfohlen, bei denen ein hohes Umgehungsrisiko angenommen wird oder anzunehmen ist.
  
Die Kommission kann durch diese Vorschläge hinsichtlich des Umgangs mit der Klausel und den genauen Anforderungen von Art. 12g VO 833/2014 noch nicht jegliche Unsicherheit ausräumen. Sie macht allerdings unmissverständlich klar, dass Verträge zu unterlassen sind, sollte der Geschäftspartner der Verwendung einer Re-Export-Klausel – wie auch immer ausgestaltet – nicht zustimmen wollen.
  

Compliance-Risiken und -Chancen

Die EU-Russland-Sanktionen stellen für europäische Unternehmen seit jeher ein erhebliches Compliance-Risiko dar, da Verstöße gegen die Maßnahmen sowohl strafrechtliche als auch bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.  Ob bzw. wie Verstöße gegen Art. 12g VO (EU) 833/2014 von den Ermittlungsbehörden verfolgt werden, bleibt abzuwarten. Ein Verfolgungsrisiko könnte insbesondere bei dem Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß Art. 12g Abs. 4 VO (EU) 833/2014 bestehen. 
  
Die Verwendung der sog. No-Russia-Klausel sowie die damit verbundene Überprüfung der eigenen Vertrags- und Lieferbeziehung zu Drittstaaten bietet allerdings gleichzeitig die Chance, im eigenen Unternehmen mehr Awareness für die Einhaltung der Sanktionen zu schaffen und dies entsprechend nach außen sichtbar zu machen. So ist ein entsprechender „Tone from the Top“ nicht nur Grundvoraussetzung für eine angemessene und wirksame Sanktions-Compliance. Die Verwendung der No-Russia-Klausel ist auch zumindest ein Indiz dafür, dass das betreffende Unternehmen über ein entsprechendes Compliance Management System verfügt, das die vertriebs- bzw. exportspezifischen Risiken sorgfältig analysiert hat. Dies wiederrum kann sich in Ermittlungsverfahren nicht nur straf- bzw. bußgeldmildern auswirken, sondern ggf. sogar einen gewichtigen Faktor gegen den Vorwurf eines Organisationsverschuldens darstellen.
  

Handlungsempfehlung

Um feststellen zu können, ob Kauf- und Lieferverträge die Verwendung einer „No-Russia-Klausel“ erfordern, sind sowohl Produktkategorien als auch das Land, in das geliefert werden soll, zu überprüfen. Bestehen hierbei Unklarheiten ist eine exportkontrollrechtliche Beratung dringend zu empfehlen.  
  
Für die Umsetzung von Art. 12g VO 833/2014 ist die wirksame Einbeziehung einer tauglichen No-Russia-Klausel erforderlich. Hier bietet sich die Verwendung der von der EU-Kommission bereitgestellten Musterklausel an. Sollen bereits bestehende Vertragsklauseln verwendet oder zur Verwendung modifiziert werden, ist zu prüfen, ob sie noch den Anforderungen des Art. 12g VO 833/2014 entsprechen. Allgemein ist hierbei zu beachten, dass Modifikationen nicht zur rechtlichen Unwirksamkeit der Klausel führen (z.B. aufgrund einer zu hohen Vertrags­strafe) und dass in AGB enthaltene Klauseln tatsächlich wirksam einbezogen werden. 
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