Option der Relokation von Russlandgeschäften nach Kasachstan

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veröffentlicht am 12. Juni 2023 / Lesedauer ca. 3 Minuten
 
Einige deutsche Unternehmen schauen sich seit Kriegsbeginn in der Ukraine nach anderen Märkten und neuen Investitions- und Produktionsstandorten um. Als Nachbar Russlands ist Kasachstan eines der Länder mit politischer und wirtschaftlicher Sta­bilität, das sein Geschäfts- und Investitionsklima fortlaufend verbessert. Das Land gewinnt mehr und mehr an Aufmerksamkeit von Investoren, die nicht nur Kasachstan selbst im Blick haben, sondern Chancen eruieren, von Kasachstan aus, den Nachbar­markt in Usbekistan zu erschließen. Diese positive Tendenz dürfte sich in den kom­men­den Monaten und Jahren noch intensivieren. Hierbei spielen Maßnahmen der EU eine nicht unerhebliche Rolle.
 


Zu Beginn des Jahres ist Russland durch Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten auf die Liste der so genannten nicht–kooperativen Staaten gesetzt worden. Die Aufnahme in diese Liste umfasst solche Staaten, die keinen hinreichenden Informationsaustausch in Steuersachen ermöglichen und keinen oder keinen fairen Wettbewerb betreiben. Die Aufnahme Russlands in diese „schwarze Liste“ bewirkt eine verschärfte Hinzurechnungs­be­steu­erung, erweiterte Quellensteuerpflichten, ein Dividendenfreistellungs- und Betriebsausgabenabzugsverbot so­wie andere gesteigerte Mitwirkungs- und Anzeigepflichten. Die Mitgliedstaaten der EU sind angehalten, steuer­liche Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um Einfluss auf die Steuerpolitik zu nehmen. Deutschland wird den Be­schluss der EU-Mitgliedsstaaten durch das Steueroasen- Ab­wehr­gesetz und die Steueroasen-Abwehrver­ord­nung umsetzen.


Für deutsche Unternehmen, die in Russland weiterhin tätig sind, bedeutet das in der Praxis, dass ihre wirt­schaftlichen Beziehungen mit Russland insgesamt unattraktiv werden. In der Praxis werden die beschlossenen Maßnahmen teilweise bereits am 1. Januar 2024 greifen, wobei vom Gesetzgeber die Gefahr einer Doppelbe­steuerung in Kauf genommen wird. Deutsche Unternehmen haben hierbei nicht nur die Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers zu beachten. Sie müssen auch Maßnahmen des russischen Gesetzgebers vor Augen haben. Da derzeit die Zahlung von Gewinnausschüttungen in Russland auf maximal 10 Millionen Rubel (Stand 31. Mai 2023: circa 115.000 Euro) pro Monat beschränkt ist, können die Maßnahmen des Steueroasen-Abwehrgesetzes in Einzelfällen dazu führen, dass die nach Deutschland ausschüttbaren Gewinne gar nicht ausreichen werden, um die in Deutschland anfallende zusätzliche Steuerlast aufgrund der Hinzurechnungs­besteuerung abzudecken.

In der Praxis stellt sich für deutsche Unternehmen die Frage nach alternativen Märkten in der Eurasischen Wirtschaftsregion. Kasachstan ist ein solcher Markt und hat sich seit Beginn des Ukrainekrieges stets neutral verhalten sowie diverse Male erklärt, dass es die russischen Kriegsbemühungen nicht unterstützen wird. Politische Stabilität sowie der Reichtum an Rohstoffen machen Kasachstan zu einem neuen Investitionshub in Zentralasien.
 
Die Mitgliedschaft von Kasachstan in der Eurasischen Wirtschaftsunion bietet deutschen Unternehmen zudem weitere Vorteile, unter anderem der Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Eurasischen Wirtschafts­union. Für russische Staatsbürger ist es nicht erforderlich, zur Ausübung einer Arbeitstätigkeit eine kasach­ische Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Demnach ist es unkompliziert für Arbeitnehmer deutscher Tochterge­sellschaften in Russland mit russischer Staatsangehörigkeit zu einem dauerhaften Niederlassungsrecht in Kasachstan zu kommen.
 
Eine Relokation von russischen Mitarbeitenden aus Russland nach Kasachstan stellt sich nicht nur etwa auf­grund einer sozialen Verantwortung für langjährige Mitarbeitende. Unternehmen, die über Jahrzehnte erfolg­reich in Russland ihre Produkte oder Dienstleistungen vertrieben haben, betrachten ihre russischen Mitarbeiter als eine unverzichtbare Personalressource, die beim Markteintritt essenziell ist. Das Produktwissen und das technische Know-how können auf einem neuen Markt nicht innerhalb von Monaten an das lokale Personal transferiert werden. Zudem ist in Kasachstan Russisch zweite Amtssprache und an den meisten Wirtschafts­stand­orten in Kasachstan gilt neben Englisch auch Russisch als die „Lingua Franca“.
 
Aus Mitarbeitersicht ist zudem die günstige persönliche Einkommensbesteuerung in Höhe von 10 Prozent zu erwähnen. Russische Staatsbürger, die in Kasachstan angestellt werden, kommen aufgrund des Abkommens der Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion an die Altersvorsorge. Sie können demnach in Kasach­stan Rentenanwartschaften erwerben und haben Anspruch auf Rentenzahlungen aus dem kasachischen Renten­versicherungsfonds.
 
Es ist aber nicht nur der Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der eine Relokation aus Russland nach Kasachstan attraktiv macht. Es sind auch weitere Umstände, die etwa einen Transfer von Assets von Russland nach Kasachstan ermöglichen. Kasachstan gilt aus russischer Sicht als ein sog. freundlicher Staat. Ausfuhrbe­schränkungen gelten für Kasachstan nicht im selben Maße wie für die europäischen Staaten. Der Aufbau respek­tive die Verlagerung eines Produktionsstandorts nach Kasachstan sind folglich grundsätzlich möglich und weniger aufwendiger. Der im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (neben dem Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr) geltende Grundsatz der Zollfreiheit hat entsprechend weitere positive Effekte auf eine Verlagerung der Geschäftstätigkeit aus Russland nach Kasachstan.
 
Zum Schluss sei auf devisenrechtliche Aspekte in Kasachstan einzugehen. Das kasachische Devisenrecht sieht bei Auslandsüberweisungen – je nach Höhe der Überweisungen – Melde- und Genehmigungspflichten vor. Auch wenn es mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, stellen die soeben genannten Melde- und Genehm­ig­ungspflichten kein Hindernis für den Markteintritt dar. Der Grund für die Überwachung von Geldüberweisung­en sind die strikten Anforderungen der kasachischen Vorschriften zur Vermeidung von Geldwäsche.
 

Kasachstan ist sich der großen Chance bewusst, zu einem neuen Investitionshub in Zentralasien zu werden. Es ist deshalb zu erwarten, dass das Land sein Investitionsklima und die steuerlichen Rahmenbedingungen weiter­hin verbessern wird.
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