Employer of Record: Steuerliche und regulatorische Implikationen – Indien-Perspektive

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​­​​​veröffentlicht am 9. April 2024 | Lesedauer ca. 4​ Minuten


Indien entwickelt sich aufgrund seiner rasant wachsenden Wirtschaft und seiner großen Verbraucherbasis schnell zu einem bedeutenden Ziel für multinationale Unter­neh­men. Da immer mehr multinationale Unternehmen das Potenzial des indischen Marktes erkunden möchten, suchen sie nach effizienten Modellen, um Einzelpersonen in den ersten Vorbereitungsphasen einzubinden. Die Komplexität des indischen Re­gu­lierungs­marktes erfordert eine effektive Markteintrittsstrategie, die zwischen einfacher Implementierung und den damit verbundenen steuerlichen und rechtlichen Risiken abwägt. Hier kommt ein "Employer of Record" ("EoR") ins Spiel. Aufgrund seiner Einfachheit hat sich das EoR-Modell im Laufe der Jahre weiterent­​wickelt und bei ausländischen Unternehmen an Beliebtheit gewonnen. Der EoR ist im We­sent­li­chen eine externe Agentur/Drittorganisation, die beauftragt wird, im Namen ihrer Kunden Personen einzustellen. Das EoR fungiert als rechtlicher Arbeitgeber für diese Personen.


Der EoR-Dienstleister übernimmt alle administrativen Aufgaben und Compliance Auf­ga­ben im Bereich der Humanressourcen (HR). Dazu gehören insbesondere die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Einhaltung der Steuer- und Arbeitsgesetze in Bezug auf diese Mitarbeiter. In funktionaler Hinsicht sind diese Personen dem ausländischen Unternehmen gegenüber berichtspflichtig.


Auch wenn die "Form" aus Sicht der indischen Devisenkontrolle nicht ausdrücklich eingeschränkt ist, besteht das Risiko, dass die über den EoR beschäftigten Arbeit­​nehmer als die Arbeitnehmer angesehen werden, die ein direktes Arbeitsverhältnis mit dem ausländischen Unternehmen haben. Dies könnte irgendwann als Verstoß gegen diese Bestimmungen angesehen werden und muss daher analysiert werden.


Aus steuerlicher Sicht birgt dieses Modell ein inhärentes Risiko aufgrund der Unter­​scheidung zwischen "rechtlichem" und "wirtschaftlichem" Arbeitgeber (substance over form). Das Konzept des wirtschaftlichen Arbeitgebers bestimmt den tatsächlichen Arbeitgeber anhand bestimmter Kriterien der Aufsicht, Leitung und Kontrolle. Im Zusammenhang mit dem EoR geht dies auf das ausländische Unter­​nehmen zurück. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Arbeitnehmer de facto Angestellte des ausländischen Unternehmens sind und Geschäfte für und im Namen des auslän­dischen Unternehmens in Indien durchführen.



Ist das Konzept EoR in Ihrem Land bekannt? Ist das Konzept EoR in Ihrem Land gesetzlich geregelt?

Das Konzept des "Employer on Record" ("EoR") ist in Indien weit verbreitet. Dabei handelt es sich um eine externe Agentur oder Drittorganisation, die im Namen und auf Anweisung ihrer Kunden Personen beschäftigt. Die Struktur ist so angelegt, dass Unternehmen ihre Operationen und Projekte durchführen können, während der EoR alle administrativen und Compliance-Aufgaben im Bereich der Humanressourcen (HR) übernimmt. Dazu gehören insbesondere die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Einhaltung der Steuer- und Ar­beits­ge­setze in Bezug auf diese Mitarbeiter. 

Besonderheiten der Tätigkeit im Rahmen des EoR-Konzepts bzw. der Arbeitnehmerüberlassung

Bei der derzeitigen Beschäftigungsstruktur geht das Kundenunternehmen, das die ausländische Organisation vertritt, mit dem EoR eine formelle Vereinbarung ein. Der in Indien ansässige EoR kümmert sich dann um die Einstellung, die Vergütung, die Steuern und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und verwaltet das Per­so­nal­we­sen im Hintergrund. Obwohl der EoR der rechtliche Arbeitgeber ist, behält das ausländische Kun­den­un­ter­neh­​men die Kontrolle über die tägliche Arbeit und den Betrieb.

In einer grenzüberschreitenden Situation könnte ein EoR auch für die Erfüllung der Visums- und Ein­wan­derungs­be­stimmungen verantwortlich sein. Da der indische Markt expandiert und neuere Unternehmen in Indien investieren wollen, haben wir festgestellt, dass dieses Modell in den ersten Jahren von ausländischen Unternehmen häufig genutzt wird, wenn sie den indischen Markt noch erkunden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie das volle Potenzial für die Gründung einer vollwertigen Einheit sehen, behalten sich ausländische Unternehmen die Option vor, das EoR-Modell zu nutzen. Wir haben beobachtet, dass Unternehmen dieses Modell in den ersten Jahren einsetzen, um Kosten für die Gründung und die Einhaltung von Vorschriften zu vermeiden. Wenn ihre Geschäftstätigkeit zunimmt, erwägen sie die Gründung einer juristischen Person in Indien und stellen die zuvor über das EoR-Modell eingestellten Personen direkt ein.

Das Konzept des EoR im indischen Kontext ist einfach. Es gibt Unternehmen, die dies als Dienstleistung anbieten, bei der das EoR-Unternehmen zum offiziellen Arbeitgeber der Arbeitskräfte des ausländischen Unternehmens im indischen Rechtsraum wird. Der EoR schließt einen Vertrag mit den Arbeitnehmern ab und übernimmt alle Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern, wie z. B. die Zahlung der Gehälter, die Verwaltung der Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Einbehaltung von Steuern und Abgaben.

In praktischer und rechtlicher Hinsicht fungiert das EoR-Unternehmen als Arbeitgeber für die betreffenden Personen. In der Regel unterstehen diese Mitarbeiter jedoch dem ausländischen Unternehmen bzw. Auftrag­geber und arbeiten unter dessen Aufsicht, Leitung und Kontrolle. Das ausländische Unternehmen würde diesen Personen die täglichen Arbeiten und Tätigkeiten zuweisen. Somit läge die faktische Kontrolle über diese Mitarbeiter bei dem ausländischen Unternehmen.

Gemäß dem Foreign Exchange Management Act von 1999 (FEMA) dürfen ausländische Unternehmen in Indien nur über genehmigte Strukturen, wie Zweigstellen oder Projektbüros, oder durch Gründung eines Un­ter­neh­mens in Indien oder Abschluss eines Joint Ventures tätig werden. Sollte jedoch der Eindruck entstehen, dass Mitarbeiter, die über die EoR beschäftigt werden, in einem direkten Arbeitsverhältnis zu einem ausländischen Unternehmen stehen, könnte dies als Verstoß gegen die FEMA-Bestimmungen betrachtet werden und müsste daher untersucht werden.

Der EoR-Dienstleister wird für seine Dienstleistungen in der Regel mit einem Kostenaufschlag vergütet. Je nach Art der von indischen Einzelpersonen erbrachten Dienstleistungen könnte zusätzlich eine „Goods and Services Tax“ von 18 Prozent anfallen.

Hinsichtlich der Zulässigkeit wird die EoR-Vereinbarung in Indien als reguläre Dienstleistungsvereinbarung zwischen einem indischen Unternehmen und einem ausländischen Kunden betrachtet. Dieses Modell unter­liegt daher keinen zusätzlichen Anforderungen im Vergleich zu anderen Unternehmen. Außerdem sind aus indischer Sicht keine besonderen Genehmigungen oder Lizenzen für Unternehmen erforderlich, die sich mit EoR befassen.

Welche steuerlichen Besonderheiten gibt es bei dem Konzept des EoR in Ihrem Land?

Obwohl es keine Einschränkungen für die praktische Umsetzung gibt, beinhaltet dieses Modell inhärente Steuerrisiken in Form von Betriebsstättenrisiken für das ausländische Unternehmen. Der Begriff der Betriebsstätte (Permanent Establishment – „PE") findet sich in Steuerabkommen und kann zur Besteuerung ausländischer Unternehmen in Indien führen, wenn das Unternehmen eine steuerpflichtige Präsenz in der indischen Jurisdiktion hat. Typischerweise können im EoR-Modell die Risiken einer festen Betriebsstätte (Fixed Place PE), Agentur-Betriebsstätte (Agency PE) und Dienstleistungs-Betriebsstätte (Service PE) vorherrschen.

  • Das Risiko einer ortsgebundenen Betriebsstätte (Fixed Place PE) besteht, wenn das ausländische Unter­nehmen über einen festen Geschäftssitz verfügt, an dem es seine Geschäftstätigkeit ausüben kann ("Fixed PE"). Der EoR ist der rechtliche Arbeitgeber der indischen Angestellten/Personen, jedoch kann das ausländische Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber angesehen werden, der deren Aktivitäten in Indien kontrolliert und überwacht ("De-facto-Arbeitgeber"). Entscheidungen und Kommentare ​ [1] haben eine Unterscheidung zwischen einem tatsächlichen und wirtschaftlichen Arbeitgeber formuliert. Einige relevante Aspekte sind die Weisungsbefugnis hinsichtlich der Arbeitsweise, die Kontrolle über den Arbeitsort, die Verantwortung für die Anzahl und Qualifikation der Arbeitskräfte, usw.
  • Ausländische Unternehmen können als 'wirtschaftlicher Arbeitgeber' betrachtet werden, wenn man die verfügbaren Kriterien berücksichtigt, wie beispielsweise die Weisungsbefugnis hinsichtlich der Arbeitsweise, Kontrolle und Überwachung, Verantwortung für die Berichterstattung, direkte Vergütung, die der formelle Arbeitgeber dem Unternehmen, für das die Dienstleistungen erbracht werden, in Rechnung stellt, Festlegung des Arbeitsplans usw. Im Zusammenhang mit EoR deuten die meisten dieser Faktoren auf das ausländische Unternehmen hin.
  • Dementsprechend besteht die Gefahr, dass Personen, die über den EoR beschäftigt werden, steuerlich als Angestellte des ausländischen Unternehmens und nicht des EoRs betrachtet werden (Grundsatz „ubstance over form“). Es könnte ein Risiko bestehen, dass Büroräume/Heimbüros von denen aus die Mitarbeitenden ihre Arbeit oder Aktivitäten ausführen, als feste Niederlassung in Indien angesehen werden.
  • Indische Verträge enthalten auch eine sogenannte „Service PE-Klausel“, die zur Anwendung kommt, wenn Dienstleistungen erbracht und Tätigkeiten von Angestellten und anderem Personal ausgeführt werden.
  • Aus indischer Sicht besteht ein erhebliches Risiko, dass das EoR-Modell eine Betriebsstätte begründet.

Wie wird sich aus Ihrer Sicht das Konzept EoR in Ihrem Land weiterentwickeln?

In Anbetracht der obigen Ausführungen müssen Unternehmen abwägen, ob sie die Erleichterungen beim Eintritt in den indischen Markt nutzen oder ein Steuerrisiko eingehen möchten. Wenn ein ausländisches Unternehmen beabsichtigt, weiterhin in den indischen Markt einzutreten und Personen für vorbereitende Tätigkeiten (im Sinne des Abkommens) vorsieht, könnte dies eine kurzfristige Lösung darstellen. Bei intensiven Marketinganstrengungen hingegen könnten erhebliche Risiken für ausländische Unternehmen entstehen, weshalb es ratsamer wäre, eine indische Gesellschaft zu gründen.


[1] Organization of Economic Cooperation and Economic Development Model Tax Convention (‘OECD MTC’)​​

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