Whistleblowing – Wettbewerb der Meldekanäle?

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veröffentlicht am 6. Dezember 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist bereits am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Damit ist mit etwas mehr als 1,5 Jahren Verspätung ein turbulentes Gesetzgebungs­verfahren zu Ende gegangen. Auf dem Weg dahin haben nicht zuletzt rechtspolitische Erwägungen zu zahlreichen Anpassungen an dem Gesetz geführt. Und auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bietet nun ein Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Ausgestaltung der externen Meldestelle Potenzial zu weiteren Diskussionen. Konkret stellt sich die Frage, ob Unternehmen auch bei ihren internen Hinweisgebersystemen eine anonyme Meldung zulassen sollten.



Nachdem das Gesetz bereits 2022 zum ersten Mal vom Bundestag verabschiedet wurde, der damaligen Fassung am 10. Februar 2023 die Zustimmung des Bundesrates jedoch verwehrt blieb und somit zwischen­zeitlich der Vermittlungsausschuss zur Kompromissfindung eingeschaltet werden musste, konnte schließlich in einem dritten Anlauf das Hinweisgeberschutzgesetz in der Fassung vom 12. Mai 2023 verabschiedet werden. Nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten wurde das Gesetz am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I Nr. 140). Bereits einen Monat später, am 2. Juli 2023, hat das Gesetz dann unmittelbare Rechtswirkung zunächst für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden entfaltet. Jedoch hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung getroffen, wonach die Bußgeldvorschriften erst ab dem 1. Dezember 2023 anzuwenden ist. Die Übergangsfrist für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Mitarbeitenden endet am 17.Dezember 2023.

Angesichts dieser Gesetzgebungsgeschichte überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber vor einer weiteren Konkretisierung des Hinweisgeberschutzes keinen Halt macht. In einem aktuellen Verordnungsentwurf des Bundesministeriums der Justiz soll die Entgegennahme von anonymen Meldungen durch die externe Mel­de­stel­le zur Pflicht gemacht werden (vgl. § 4 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs). Dadurch kann es zu einer weit­rei­chen­den Änderung in der Systematik der Meldesysteme kommen.

Das Gesetz gibt in § 16 Abs. 1 Satz 3 HinSchG vor, dass interne Meldungen gegenüber externen Meldungen zu bevorzugen sind, soweit intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann. Eine Pflicht für die interne Meldestelle, auch anonyme Meldungen entgegenzunehmen, besteht hingegen nicht. Die im Gesetz­gebungsverfahren vieldiskutierte diesbezügliche „Verpflichtung“ der Unternehmen ist durch den Ver­mitt­lungs­aus­schuss gekippt worden. Dies gilt auch für externe Meldestellen.

Anhand dieser Systematik wird deutlich: Zum einen wollte der Gesetzgeber hier ein Rangverhältnis etablieren, welches der internen Meldung den Vorrang einräumt. Dies steht auch im Einklang mit der EU-Richtlinie 2019/1937 (Hinweisgeberrichtlinie), welche im 33. Erwägungsgrund auf empirische Untersuchungen verweist, wonach sich hinweisgebende Personen wohler fühlen würden, wenn sie einen Vorgang intern melden können. Zum anderen wird klar, dass es nach dem Gesetz weder für interne noch für externe Meldungen verpflichtend ist, diese auch entgegenzunehmen, wenn sie anonym gestellt werden.


Meldekanäle im Wettbewerb

Mit seinem Plan zur Schaffung einer externen Meldestelle, welche dazu verpflichtet ist, auch anonyme Meldungen entgegenzunehmen, riskiert der Gesetzgeber nun, den gewünschten Vorrang der internen Meldung zu unterlaufen. Für Unternehmen würde dies bedeuten, dass sie sich in einem Wettbewerb mit der externen Meldestelle befinden und diesen nur gewinnen können, wenn sie ebenfalls anonyme Meldungen zu lassen. Dadurch würden beide Meldestellen für die hinweisgebende Person zumindest gleich attraktiv, idealerweise gestaltet der Arbeitgeber die interne Meldung sogar attraktiver.

Denn Unternehmen sollten ein Interesse daran haben, dass Meldungen intern abgegeben werden. Das Stich­wort lautet hier: Zeitgewinn. Durch einen internen Meldevorgang können Vorfälle direkt adressiert und Ge­gen­maß­nah­men sofort ergriffen werden. Überdies wirkt sich allein die Existenz eines internen Hinweis­ge­ber­sys­tems positiv auf die Unternehmenskultur aus. Zum einen sendet die Unternehmensführung damit Signale aus, der eigenen Rechtstreue eine hohe Bedeutung beizumessen und zum anderen werden die Beschäftigten für rechtstreues Verhalten sensibilisiert und zu selbigem motiviert.


Fazit

Es besteht ein gesteigertes Interesse, den Wettbewerb mit der externen Meldestelle zu gewinnen, auch wenn das bedeutet, im eignen internen Meldesystem auch anonyme Meldungen zuzulassen. Daher sollte das Augenmerk daraufgelegt werden, das interne Meldesystem besonders effizient auszugestalten, es in der Unternehmenskultur möglichst tief zu verankern und als Unternehmensleitung Compliance vorzuleben.

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Dr. Michael S. Braun

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth)

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