Das Europäische Lieferkettengesetz – der Stand vor dem Kommissionsentwurf

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veröffentlicht am 2. Februar 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten

von José A. Campos Nave und Clemens Bauer

  
Das Europäische Lieferkettengesetz rückt näher, hat aber noch einige Hürden zu nehmen. Während eine Veröffentlichung des EU-Legislativvorschlags ursprünglich bereits für den Sommer 2021 geplant war, wird nun eine Beratung des EU-Lieferkettengesetzes in der Kommission im Frühjahr 2022 erwartet. Inhaltlich erwartet die Unternehmen nach derzeitigem Stand viele Parallelen, aber auch Verschärfungen im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz.
 

  

      

  

Die Entwicklung des Europäischen Lieferkettengesetzes

Die Idee eines europäischen Lieferkettengesetzes wurde bereits im Jahr 2011 in Folge der Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte geboren. Der Europäische Rat ersuchte in Umsetzung der UN-Leitprinzipien die EU-Kommission, bis 2021 einen EU-Aktionsplan zu nachhaltigen Lieferketten auf den Weg zu bringen. Hierdurch kam es u.a. zur Verabschiedung von nationalen Aktionsplänen durch 18 EU-Mitgliedstaaten sowie vereinzelte Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene. Beispiele sind das französische „Loi de vigilance“ aus dem Jahr 2017 oder das zuletzt im Jahr 2021 verabschiedete deutsche „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“.

Da in den Mitgliedstaaten lediglich vereinzelt Gesetzesinitiativen ergriffen wurden, haben die europäischen Institutionen Pläne zur Einführung eines Lieferkettengesetzes für Europa gefasst. Ziel dabei ist zum einen die Förderung des sog. Europäischen Grünen Deals, dem Nachhaltigkeitsprogramm der Europäischen Union, als auch die Prävention etwaiger Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt durch nationale Gesetzgebung.

So verkündete der EU-Justizkommissar in Folge im April 2020 Pläne für ein umfassendes europäisches Lieferkettengesetz, die im Dezember 2020 durch den Europäischen Rat befürwortet wurden. Das EU-Parlament unterstützt das Legislativvorhaben, indem es am 10. März 2021 mit der Mehrheit seiner Abgeordneten die Kommission aufforderte, den Entwurf einer Richtlinie über Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorzulegen.

Der EU-Legislativprozess geriet im Mai 2021 ins Stocken, als der Europäische Normenkontrollausschuss den geplanten und nicht veröffentlichten Richtlinienentwurf des Justizkommissars zurückwies und eine Überarbeitung des Legislativvorschlags verlangte. Nach Medienberichten kritisierte der Ausschuss den Entwurf als unverhältnismäßig und rügte u.a. den ausschweifenden Anwendungsbereich, der ein breites Spektrum von klima-, umwelt-, menschenrechts-, sozial- und gesundheitsbezogenen Themen umfasst hat. Ferner fanden nach Auffassung des Ausschusses bestehende Rechtsvorschriften auf EU-Ebene sowie Initiativen des Privatsektors keine ausreichende Beachtung. Beispielhaft, aber nicht abschließend, können als solche Regelungen die EU-Holzhandelsverordnung, die EU-Verordnung über Konfliktmineralien sowie die CSR-Richtlinie genannt werden.

Für die Ausarbeitung eines neuen Kommissionsentwurfs wurde in Folge neben dem EU-Justizkommissar der EU-Binnenmarktkommissar betraut. Nach der ursprünglich geplanten Veröffentlichung des Entwurfs im Herbst 2021 wird nun mit einer Bekanntmachung des ersten Richtlinienentwurfs für Frühjahr 2022 gerechnet.

Der Kommissionsentwurf stellt den ersten Schritt im europäischen Gesetzgebungsverfahren dar, in dem die Kommission den Legislativvorschlag gegenüber dem Europäischen Parlament (bestehend aus den Abgeordneten der Mitgliedstaaten) sowie dem Rat der Europäischen Union (bestehend aus Fachministern der Mitgliedstaaten) unterbreitet. Politische Zielvorstellungen spielen bei etwaigen Änderungsanträgen sowie der anschließenden Beschlussfassung eine Rolle. Abschließend muss der Legislativakt durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
   

Mögliche Inhalte eines zukünftigen EU-Lieferkettengesetzes

Es ist davon auszugehen, dass der EU-Legislativakt die wesentlichen Positionen des EU-Parlaments betreffend die Einführung eines EU-Lieferkettengesetzes beinhalten wird. Das Positionspapier sieht nachfolgende Regelungsinhalte vor, die in der Gegenüberstellung mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz deutliche Parallelen, aber auch Verschärfungen für die Unternehmen beinhalten.

Gegenüber Unternehmen sollen verbindliche Anforderungen normiert werden, um potenzielle und/oder tatsächliche negative Auswirkungen zu ermitteln, zu bewerten und zu überwachen. Neben der Kontrolle spielt die Prävention, nämlich das Verhindern bzw. das Abmildern sowie die Behebung von menschgemachten Beeinträchtigungen eine wesentliche Rolle. Das europäische Lieferkettengesetz sieht, wie auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor, dass Präventionsmaßnahmen an das Compliance Management der Unternehmen anknüpfen, um Umwelt- und Sozialthemen ausgehend von einer Risikobetrachtung in das Lieferkettenmanagement zu integrieren.

Nachhaltigkeit soll ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Der Europäische Gesetzgeber beabsichtigt hierzu Leitlinien zur Verfügung zu stellen, damit Unternehmen in verschiedenen Abstufungen Beeinträchtigungen auf Schutzgüter wie Menschenrechte, Umwelt und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung in der Wertschöpfungskette erkennen und beseitigen können. Dabei ist davon auszugehen, dass dem Umweltschutz eine besondere Rolle zukommen wird, der in dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang allenfalls mittelbar Ausdruck gefunden hat. Während das deutsche Gesetz den Umweltschutz als Schutzgut nur in den Fällen umfasst, in denen ein Handeln Auswirkungen auf Menschen hat (bspw. Verschmutzung von Trinkwasser), muss davon ausgegangen werden, dass Umweltschutz ein eigenes Schutzgut im Katalog des europäischen Lieferkettengesetzes darstellen wird.

Der Anwendungsbereich des EU-Gesetzes ist im Vergleich zu den bislang verabschiedeten nationalen Lieferkettengesetzen weiter und umfasst zum einen große Unternehmen, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen bzw. im Hoheitsgebiet der Union niedergelassen sind. Zum anderen umfasst der geplante EU-Legislativakt auch kleine und mittlere Unternehmen, die börsennotiert sind oder einem hohem Risiko unterliegen. Der Anwendungsbereich der geplanten EU-Richtlinie ist mithin offen und knüpft auch an eine abstrakte Gefahr für Schutzgüter an. Im Vergleich sieht der deutsche Gesetzgeber unter Festlegung von Unternehmensgrößen vor, dass durch das Sorgfaltspflichtengesetz nur Unternehmen mit mehr als 3.000 (2023) bzw. 1.000 Mitarbeiter (2024) unmittelbar verpflichtet werden.

Um die Durchsetzung der Vorgaben sicher zu stellen, spielt das Monitoring eine wichtige Rolle. Die Länder werden aufgefordert, unabhängige nationale Behörden zur Überwachung der Anwendung der Richtlinie zu benennen. Die Kontrollbehörden sind von den Mitgliedstaaten mit den notwendigen Ressourcen und Befugnissen (u.a. Beschwerdeverfahren) auszustatten.

Gleichsam sind die europäischen Institutionen angehalten, auf EU-Ebene Leitlinien in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und den betroffenen EU-Agenturen (Umwelt, Menschenrechte, Wirtschaft) zu entwerfen. Für die Unternehmen soll darüber hinaus ein Informationsportal geschaffen werden, dass kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben unterstützt. 
  

Herausforderungen für die Praxis

Es zeichnet sich ab, dass das EU-Lieferkettengesetz in Form einer Richtlinie umgesetzt werden wird. Hierbei handelt es sich um ein Rahmengesetz der EU, das von den Mitgliedstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Damit grenzen sich Richtlinien als Legislativakt von EU-Verordnungen ab, die eine sofortige und unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten besitzen.
   
Mithin gestalten Richtlinien lediglich die Mindeststandards, die nicht unterschritten werden dürfen. In Folge obliegt den Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum, der Eingangstor für die jeweils verfolgten Nachhaltigkeitsziele eines Landes sein kann. Vor diesem Hintergrund sind schärfere Regelungen unter Berücksichtigung der Vorgaben des EU-Binnenmarktes möglich. In Folge eröffnet sich erneut das Spannungsfeld zwischen der Harmonisierung des Rechts und der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene, das durch Initiativen einzelner Länder befeuert wird. So hat die Bundesregierung den Ehrgeiz formuliert, mit dem deutschen Lieferkettengesetz ein Vorreiter und gleichsam Vorbild auf europäischer Ebene zu sein. Gleichsam wird auch das bereits im Jahr 2021 in Deutschland beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nach Einführung des EU-Gesetzes richtlinienkonform angepasst werden müssen.
   
Ferner deutet sich an, dass durch die Verzögerungen auf europäischer Ebene einzelne Länder nunmehr die Einführung von eigenen Lieferkettengesetzen planen. Eine politische Initiative hierfür wurde u.a. in den Niederlanden gestartet, einem Land, das bereits im Jahr 2019 mit dem „Child Labor Due Diligence Law“ ein erstes Gesetz in Bezug auf Menschenrechtsschutz in Lieferketten eingeführt hat.
   
Alle diese Aspekte stellen Unternehmen als Verpflichtete des Lieferkettengesetzes vor Herausforderungen, da sie für eine rechtssichere Umsetzung auf ein einheitliches und praktikables Regelwerk angewiesen sind. Nur auf diese Weise kann unter Berücksichtigung der beschränkten Ressourcen unnötiger Aufwand im Hinblick auf die zu etablierenden Kontroll- und Berichtsmechanismen vermieden werden.
   
Rödl & Partner wird die Entwicklung des EU-Lieferkettengesetzes weiter verfolgen. Gerne beraten wir Sie bereits jetzt im Hinblick auf die Einführung eines nachhaltigen Lieferketten-Managements, damit Sie optimal vorbereitet sind.
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